Matthias Bandtel ist seit Juni 2020 Geschäftsführer des Hochschulnetzwerks Digitalisierung der Lehre Baden-Württemberg (HND-BW). Das HND-BW ist der Verbund der baden-württembergischen Landesuniversitäten zur kooperativen Weiterentwicklung der digitalen Lehre.
1. Sie sind der Geschäftsführer des Hochschulnetzwerks Digitalisierung der Lehre Baden-Württemberg (HND-BW). Was ist die Aufgabe des HND BW? Welche Vorteile hat es für das KIT, dass die Geschäftsstelle des HND BW hier am KIT verortet ist?
Das HND-BW ist aus der Überzeugung entstanden, dass sich die Herausforderungen der Digitalisierung von Lehre und Lernen am besten im hochschulübergreifenden Austausch meistern lassen. Das Netzwerk wurde 2016 mit Anschubfinanzierung des Wissenschaftsministeriums gegründet, um die digitale Lehre landesweit weiterzuentwickeln. Seit 2020 wird das HND-BW von den neun baden-württembergischen Universitäten getragen.
Wir sind zum einen operativ tätig. Das heißt, wir koordinieren den Wissenstransfer zwischen den E-Learning-Servicestellen, initiieren gemeinsame Projekte und arbeiten in Landesdiensten wie dem Zentralen OER-Repositorium der Hochschulen in Baden-Württemberg (ZOERR) zusammen. Zum anderen versteht sich das HND-BW als strategischer Verbund. Im HND-BW Lenkungskreis identifizieren die Prorektor:innen und Vizepräsident:innen für Lehre der Landesuniversitäten kollaborative Handlungsfelder, stimmen Positionen ab und vertreten sie gemeinsam nach außen.
Das KIT engagiert sich schon seit langem sehr intensiv in landesweiten Digitalisierungsinitiativen. Der Vizepräsident für Lehre, Prof. Dr. Alexander Wanner, ist Sprecher des HND-BW Lenkungskreises. Dass die HND-BW Geschäftsstelle ebenfalls am KIT angesiedelt ist, erleichtert die Abstimmung durch kurze Wege. Ich denke, dass die große Chance für das KIT darin liegt, erfolgreiche Digitalisierungsaktivitäten in der Lehre landesweit und überregional noch sichtbarer zu machen. Grundsätzlich proftieren alle Universitäten im HND-BW vom offenen Austausch über Chancen und Herausforderungen, dem Teilen von Erkenntnissen und Materialien sowie dem gemeinsamen Auftreten.
2. Digitale Prüfungen sind eines der Felder, die im Rahmen der Universitäten als besonders wichtig anerkannt worden sind. Wo liegen die Herausforderungen, um digitale Prüfungen auch nach der Corona-Pandemie hochschulübergreifend besser verfügbar zu machen?
In den Corona-Semestern ging es vor allem darum, sehr schnell möglichst allen Studierenden das Absolvieren von Prüfungen zu ermöglichen. Jetzt können wir anfangen, systematisch die didaktischen Potentiale digitaler Prüfungen zu erschließen. Wie können mit Unterstützung digitaler Systeme Prüfungen kompetenzorientierter gestaltet werden? Auf welche Weise steigern wir Flexibilität und Mobilität? Wodurch kann das qualitative Feedback zum Lernerfolg verbessert werden? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, müssen zum einen technische Infrastrukturen aus- und aufgebaut werden. Zum anderen braucht es innovative didaktische Konzepte und mutige Lehrende, die Neues erproben wollen. Und nicht zuletzt müssen die Supporteinrichtungen personell gestärkt werden.
3. Zurzeit befinden sich digitale Prüfungen in einem stetigen Entwicklungsprozess. Das HND-BW engagiert sich diesbezüglich in mehreren Projekten. Können Sie etwas zu diesen Projekten und ihren verschiedenen Schwerpunkten sagen?
Aktuell laufen zwei Projekte mit Beteiligung des HND-BW zum Thema digitale Prüfungen. Im Rahmen von »Prüfung hoch III Drei« haben sich Initiativen am KIT, an der FAU Erlangen-Nürnberg und an der RWTH Aachen zusammengeschlossen. Mit Unterstützung des Stifterverbandes bauen wir ein überregionales Netzwerk für den Erfahrungsaustausch über innovative Prüfungsszenarien auf. Mit unseren Fellowships fördern wir engagierte Lehrende, die kreative Prüfungsideen umsetzen wollen.
Im großen Verbundprojekt »Partnerschaft für innovative E-Prüfungen (PePP)« entwickeln alle baden-württembergischen Landesuniversitäten gemeinsam Prüfungsszenarien, die mehr Kompetenzorientierung, Lernendenzentrierung und Flexibilität ermöglichen. Die Vorhaben zielen auf ein landesweites System für Fernprüfungen ab, auf die Realisierung von Prüfungen mit mobilen Endgeräten sowie auf die Integration von Praxissoftware in Prüfungsumgebungen.
4. Das Projekt PePP (Partnerschaft für innovative E-Prüfungen – Projektverbund der baden-württembergischen Universitäten) ist ein kooperatives Projektvorhaben von neun Landesuniversitäten. Wie kann man sich die konkrete Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Hochschulen vorstellen?
Jede Universität baut ihre Stärken im digitalen Prüfen aus, damit diese bei Bedarf von anderen Hochschulen übernommen werden können. Aktuell werden im Projekt drei Schwerpunkte zur technischen Weiterentwicklung verfolgt: Erstens wollen wir VDI-basierte Fernprüfungen landesweit verfügbar machen. Zweitens erproben wir mobile Prüfungsszenarien on Campus – z.B. mit Chromebooks oder eigenen Endgeräten der Studierenden. Drittens entwickeln wir Systeme für praxisorientierte Prüfungen unter Einsatz von Drittapplikationen, u.a. für Programmieraufgaben oder zur grafischen Modellierung. Parallel zu den technischen Vorhaben werden zudem didaktische Konzepte entworfen sowie Qualifizierungsprogramme für Lehrende aufgelegt. Last but not least ist es wichtig, dass alle Maßnahmen mit Blick auf die rechtliche Machbarkeit und ihre Barrierefreiheit reflektiert werden.
5. Neben dem Thema digitale Prüfungen, welche inhaltlichen Felder finden Sie relevant für die gemeinschaftliche Entwicklung in den Universitäten?
Uns treibt gerade um, wie wir den Übergang vom Corona-Krisenmodus in den postpandemischen Lehrbetrieb gestalten. Die vergangenen beiden Jahre haben so viel Neues im digitalen Lehren, Lernen und Prüfen gebracht. Jetzt geht es darum, Erfahrungen systematisch auszuwerten, um zu konsolidieren, welche Anwendungsszenarien in welchen Einsatzkontexten Bestand haben und ausgebaut werden müssen.
Im HND-BW verfolgen wir aktuell verschiedene Schwerpunkte. Zum einen müssen wir den Einsatz digitaler Tools zur Unterstützung von Kommunikation und Kollaboration in der Lehre erleichtern. Zum anderen beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Teilhabe an Universitäten künftig ausgeweitet werden kann. Hybride Lehre bietet in diesem Fall große Potentiale, die wir gemeinsam erschließen möchten. Insgesamt merken wir, dass rechtliche Fragen im Bereich der Digitalisierung komplexer werden. Wir wollen weiter an Lösungen arbeiten, um Lehrenden und Studierenden verbindlich Orientierung geben zu können und gleichzeitig den rechtlichen Rahmen bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.
6. Zum Schluss noch eine „persönliche“ Frage zur Digitalisierung Ihres Alltags: Welche Webanwendungen finden Sie bereichernd, wenn Sie im Netz – beruflich oder privat – unterwegs sind?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten… Das Charakteristische an der Digitalisierung ist ja gerade, dass sie alle Lebensbereiche prägt. Es fällt mir schwer, da ein einzelnes Tool herauszugreifen. Aber was mich in den letzten Monaten beeindruckt hat, ist die Selbstverständlichkeit, mit der wir heute Videokonferenzsysteme nutzen – im Beruflichen wie im Privaten. Die damit verbundene Ausweitung unserer Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten – nicht zuletzt in der Lehre – finde ich großartig!
(NL01/2022)