Digital People: Fünf Fragen, fünf Antworten. Folge 7: PD Dr. Gudrun Thäter
Frau PD Dr. Gudrun Thäter ist Mitglied der Fakultät für Mathematik und forscht vor allem in den Bereichen der mathematischen Strömungstheorie und Modellierung im Kontext von Fluiden. Sie ist nicht nur als Informationsbeauftragte engagiert, sondern hat auch den Podcast Modellansatz zusammen mit Sebastian Ritterbusch ins Leben gerufen. In ihrem Podcast stellt sie immer wieder interessante Themen und Anwendungen der Mathematik vor und trägt so zum offenen Wissenstransfer bei. Im Rahmen unseres Newsletters zum Thema „Open am KIT“ haben wir sie für unsere Rubrik „Digital People“ interviewen dürfen.
1. Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit der mathematischen Strömungstheorie und Modellierung im Kontext von Fluiden. Was bedeutet das genau und weshalb ist das Forschungsgebiet so interessant?
Flüssigkeiten und Gase sind sehr interessante und vielgestaltige Materialien, die uns alle schon früh faszinieren. Wer bewundert nicht Wasserwirbel und die sich überschlagende Brandung? Wer schaut nicht mit Respekt auf Jumbo-Jets, die majestätisch durch die Luft fliegen? Unser Überleben hängt von der Bewegung von Blut und Sauerstoff in unserem Körper ab. Wir alle hätten gern eine präzise Wettervorhersage, optimal geplante Verkehrsströme und effektive Motoren und Turbinen. In meiner Arbeit suche ich nach Gleichungen, die all diese sehr unterschiedlichen Strömungsvorgänge näherungsweise beschreiben und nach Möglichkeiten, diese möglichst effektiv mit Hilfe von Computern zu lösen. Das macht meine Arbeit sehr vielfältig: Ich rede mit Ingenieur*innen und Physiker*innen, die beispielsweise Batterien simulieren, Sonnenkollektoren planen oder dem deutschen Wetterdienst zuarbeiten. Ich bewerte mit ihrer Hilfe Modelle und benutze dann meine Ausbildung als Mathematikerin, um Lösungen für diese Gleichungen zu charakterisieren und die Computersimulationen zu ermöglichen. Ergebnisse dieser Simulationen werden häufig mit dreidimensionalen Videos dargestellt. Hier gibt es Berührungspunkte mit Künstler*innen, die ebenfalls das beste aus dieser Darstellungsform herausholen wollen und uns dabei helfen, das intuitive Verstehen des dargestellten Vorgangs zu erleichtern. Da wir oft die schnellsten und größten Computer brauchen, die die Welt gerade bietet, muss ich oft auch Informatiker*innen um Rat fragen. Diese Interdisziplinarität ist nicht immer reibungsfrei, aber sie ist für mich das Salz in der Suppe.
2. 2013 haben Sie den Podcast „Modellansatz“ ins Leben gerufen und stellen gemeinsam mit Sebastian Ritterbusch jede Woche neue faszinierende Anwendungen der Mathematik vor. Weshalb haben Sie den Podcast gegründet und was sind beispielhafte Themen, die sie behandeln?
Im Forschungsalltag meiner Gruppe geht es oft um sehr konkrete Fragen, die man „am Küchentisch“ diskutieren kann. Deshalb fanden wir es schade, dass die Antworten, die in Masterarbeiten und Promotionen gefunden werden, entweder in meinem Schrank verstauben oder nur einem Fachpublikum zugänglich sind. Wir wollten mit dem Podcast ein Format nutzen, das prinzipiell ohne Hürden für jede und jeden zugänglich ist. Wir waren zunächst etwas skeptisch, ob es möglich sein wird, die nötige mathematische Tiefe im Gespräch herzustellen, da wir daran gewöhnt sind, beim Diskutieren auch Formeln und Stichpunkte zu schreiben. Allerdings zeigte sich, dass die Beschränkung auf das gesprochene Wort keine echte Einschränkung, sondern eher ein Vorteil ist. Im Vergleich zu Artikeln in Fachzeitschriften ist es nämlich im Gespräch ganz natürlich auch auf Irrwege, nicht erfüllte Erwartungen und persönliche Erfahrungen einzugehen und dadurch die Menschen zu zeigen, die Mathematik voranbringen. Man konzentriert sich außerdem automatisch auf die Ideen und den roten Faden, die sich manchmal in geschriebenem Text nicht so leicht erkennen lassen.
Wir legen außerdem zu jeder Episode eine Seite an, auf der eine ausführliche inhaltliche Zusammenfassung zu finden ist, damit man eventuell durch das Gespräch aufgeworfene Fragen auf diesem Wege möglichst leicht beantworten kann.
Da Mathematik in fast allen Lebensbereichen angewendet wird, gibt es kein Thema, das nicht auch zum Thema für unseren Podcast taugt: Musik, Medizin, Raketen, Wetter, Verkehr, Sprache, Wellen, Fotos, neue Materialien, Batterien, Studium, Lernen in der Schule und vieles mehr. Als Nebeneffekt zeigt sich dabei auch, wie vielfältig Mathematik ist und welche unterschiedlichen Berufsfelder sich durch ein Studium der Mathematik und naher Fächer erschließen.
3. Wie kommt der Podcast bei den Zuhörer*innen an? Wer hört ihn?
Jede unserer Folgen wird in der ersten Woche etwa 1000 mal gehört und hat über die Zeit oft über 2500 Hörer*innen. Auch die erste Folge aus dem Jahr 2013 wird noch jede Woche von einigen entdeckt. Bei den Spitzenreitern sind es sogar um die 10.000 Downloads. Da die Gespräche bis zu 3 Std. lang sind, kommt bei über 200 Folgen eine ganze Stange von Jahrzehnten zusammen, die man uns schon dabei zugehört hat, wie wir über Mathematik reden. Jedes Mal, wenn ich das erzähle, muss ich tief Luft holen und mich ein bisschen kneifen.
Unsere Podcastfolgen vernetzen außerdem erstaunlich effektiv Wissenschaftler*innen, die an der gleichen Frage arbeiten wie unsere Gesprächspartner*innen und eröffnen damit einen neuen Kommunikationskanal.
4. Wie gestalten Sie Ihre Lehrveranstaltungen, um auf das digitale Interesse Ihrer Studierenden einzugehen?
Meine eigenen Lehrveranstaltungen konzentrieren sich auf mathematische Themen. Hier ist es nach wie vor am effektivsten, das Material an der Tafel zu entwickeln, weil das der Denkgeschwindigkeit entspricht. Die Studierenden haben ein Skript und schreiben deshalb viel weniger als ich. Das gibt ihnen die Zeit zum Mitdenken und zum Fragen stellen. In meinen Lehrveranstaltungen nutze ich den Podcast dafür, Anwendungen und Weiterentwicklungen für besprochene Themen bereit zu stellen, die in der Vorlesung keinen Platz finden können. Es gibt auch Folgen, die einen Überblick über die ganze Vorlesung und deren Hauptziele geben. Die kann man hören, bevor man sich entscheidet, ein Semester bei mir zu lernen. Und zum Softwarepraktikum gibt es auch Folgen, wo Studierende über ihre Projekte und Erfahrungen berichten. Das sind nicht nur Mathematik-Studierende sondern auch Verfahrenstechniker*innen und Chemieingenieur*innen.
5. Zum Schluss noch eine „persönliche“ Frage - zur Digitalisierung Ihres Alltags: Welche Webanwendungen finden Sie bereichernd, wenn Sie im Netz - beruflich oder privat - unterwegs sind?
Ich bin viel in der Welt unterwegs und kann mir nicht mehr vorstellen, das ohne Ticketpreisvergleich, Bahn-App, Wetterdienst und Online-Karten zu tun. Zum Gedankenaustausch mit anderen Wissenschaftspodcaster*innen ist Twitter eine sehr praktische und freundliche Plattform. Für Absprachen nutze ich nach wie vor am liebsten e-Mail. In der Familie tauschen wir in unterschiedlichen geteilten Alben die Fotos aus dem Alltag und von Reisen. Ich finde es toll, dass ich auf Bandcamp meine Lieblingsmusik direkt von den Musiker*innen kaufen kann.
(NL03/2019)
Vielen Dank Frau Dr. Thäter für das spannende Interview!